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Detail-Information über die Wirkung von Kreatin in verschiedenen Organen und Zellen

Unbestrittene, positive Effekte von Kreatin auf die Skelettmuskulatur

Aus verständlichen, nicht zuletzt auch kommerziellen Gründen ist die Kreatinforschung auf dem Gebiete der Leistungsphysiologie und des Spitzensportes am weitesten fortgeschritten und die Anzahl von wissenschaftlich hochstehenden Studien direkt am Menschen ist in der Zwischenzeit beachtlich geworden und wächst immer noch.
Auf Grund der Ergebnisse aus der Grundlagenforschung haben verschiedene international bekannte Spitzenathleten vor ca. 5 Jahren im Selbstversuch mit der Einnahme von Kreatin-pulver begonnen und damit erstaunliche Leistungssteigerungen von 10-20% erreicht, zuerst vor allem im Sprintbereich (Casey et al. 1996; Hultman et al. 1996), dann aber auch in anderen Disziplinen. Durch gezielte Supplementation mit Kreatin können beim Menschen nicht nur die Sprint-, sondern auch die Ausdauerleistung verbessert und die Erholungszeiten nach hartem Training verkürzt werden (Greenhaff et al. 1994: Vandenberghe et al. 1997; Aaserud et al. 1988; Brönnimann et al. 1988; Volek et al. 1999). Kreatinsupplementation wird deshalb nicht nur bei Kraftsportarten (Gewichtheben, Ringen/Schwingen, Bodybuilding etc.), sondern auch für Leichtathletik, Mannschafts- und Spielsportarten (Fussball, Eishockey, Volleyball, Tennis Squash etc.), sowie auch für Ausdauersportarten (Radrennfahren, Triathlon, Marathon- und Berglauf etc.) mit Erfolg eingesetzt.
Die Tatsache, dass submaximales Training, bei dem die Glycogenspeicher entleert werden, sowohl die Aufnahme von Kreatin, wie auch die Akkumulation von Glycogen im Muskelgewebe deutlich steigert (Robinson et al 1999), zeigt, dass Training in Kombination mit Kreatin-Supplementation plus Kohlehydrat-Loading zu optimalen Effekten führt. Bei den Probanden, die Kohlehydrate plus Kreatin zu sich nahmen, wurden nämlich die Glycogenspeicher im Vergleich zu den Probanden die nur Kohlehydrate nahmen, deutlich erhöht (Robinson et al. 1999). Durch die so gewonnene Erhöhung der Glycogenspeicher lässt sich u.a. auch die positive Wirkung von Kreatin auf die Ausdauerleistung ohne weiteres erklären. Durch Training wurde zudem auch die Aufnahme von Kreatin verbessert (Robinson et al. 1999). Da ein erhöhter Phospho-Kreatin Spiegel in den Muskeln zu einer Verbesserung der Energetik für die Kalzium-Homeostase führt, ist ein Effekt von Kreatin auf die Ausdauerleistung auch von diesem Aspekt her zu erwarten, d.h. die Energie, die für die während den Muskelkontraktionen zyklisch erfolgende Kalziumaufnahme durch die Ca2+-ATPase-Pumpe verbraucht wird, kann dank eines erhöhten Phospho-Kreatin Spiegels effizienter eingesetzt werden.
Obwohl schon 1976 mit Skelett- und Herzmuskelzellen in Kultur gezeigt werden konnte, dass externes Kreatin zum Zellkulturmedium gegeben eine Zunahme der muskel-spezifischen Eiweissynthese bewirkt (Ingwall 1976), wurde lange Zeit negiert, dass Kreatin eine direkt Zunahme der Muskelmasse bewirkt, weil vor allem während der Ladephase mit Kreatin auch Wasser im Muskelgewebe akkumuliert wird (Francaux and Poortmans 1999), was meist zu einer leichten Gewichtszunahme (1-2 kg) führt. Dies kommt dadurch zu Stande, dass der Kreatin-Transporter ein Natrium-Chlorid Cotransporter ist (Guerrero und Wallimann 1998) und zum osmotischen Ausgleich Wasser in die Zellen aufgenommen werden muss. Deshalb ist es auch wichtig vor allem während der Ladephase mit Kreatin speziell viel zu trinken. Schon früh hat aber eine finnische Gruppe, die Kreatin an Patienten mit “Gyrate Atrophy”, einer Augenkrankheit, abgegeben hatten, realisiert, dass die längerfristige Einnahme von Kreatin (1.5. Gramm täglich während eines Jahres) in der Tat von einer direkten Zunahme der Muskelmasse begleitet war, die ausschliesslich auf eine Vergrösserung des Durchmessers von schnellen Typ II Muskelfasern zurückzuführen ist (Sipilä et a. 1981). Neuere Resultate einer australischen Forschergruppe zeigen aber, dass Kreatin-Supplementation während 12 Wochen in Zusammenhang mit Krafttraining zu einer signifikanten Querschnittsvergrösserung aller, inklusive der langsamen Typ I Fasern, führen kann (Volek et al. 1999). Parallel zu diesem Muskelaufbau stellte man oft eine Abnahme von Fettgewebe fest (Vandenberghe et al. 1997), was insgesamt zu einer durchaus erwünschten Erhöhung der fettfreien Körpermasse (lean body mass) führt (Volek et al. 1999). Dieser sekundär positive Effekt ist sicher auch für andere Anwendungen ausserhalb des Sportbereiches wichtig und könnte z.B. auch bei Schlankheitskuren ausgenützt werden.
Es scheint mir sehr wichtig hier noch einmal zu betonen, dass Kreatin vor allem im Zusammenhang mit intensivem Muskeltraining und mit Kohlehydrat-Loading seine volle Wirkung entfaltet (Robinson et al. 1999).
Als Übersichtsartikel für die Beurteilung und Anwendung von Kreatin im Sportbereich können u.a. auch folgende Referenzartikel empfohlen werden: Balsom et al. (1994); Wyss and Wallimann (1994); Greenhaff (1997); Guerrero and Wallimann (1998); Greenhaff (1997), Juhn and Tarnopolsky (1998), Plisk and Kreider (1999), Robinson et al. (1999); Volek et al. (1999).

Positive Wirkung von Kreatin auch auf den Herzmuskel

Während durch Kreatin-Supplementation bei chronischem Herzversagen zwar die Herzvolumen-Leistung offenbar nicht signifikant gesteigert werden konnte, verbesserte sich aber die Leistung der Beinmuskulatur ganz deutlich (Andrews et al. 1998), was ebenfalls zu einer Steigerung der Lebensqualität bei diesen Patienten beitrug (Gordon et al. 1995). Eine deutliche Schutzfunktion des Herzens bei verschiedenen Herzkrankheiten wurde aber durch direkte Infusion von Phospho-Kreatin als Zusatz in den kardioplegischen Infusionslösungen erreicht (Tronconi and Saks 1989). Diese Applikation zeitigte auch bei chronischem Herzversagen durchaus positive Wirkung (Grazioli et al. 1992). Zudem können auf dieselbe Weise auch Herzrhythmusstörungen nach einem Herzinfarkt deutlich verringert werden (Ruda et al. 1988).
Dass das Kreatinkinase System für die Funktion des Herzmuskels und der Herz-Reizleitung wichtig ist, beweist die Tatsache, dass transgene Tiere, die kein oder nur noch sehr wenig dieses Enzyms im Skelettmuskel, resp. im Herzmuskel herstellen, Störungen in der Muskel- (Steeghs et al. 1996) und Herzfunktion (persönliche Mitteilung von Dr. J. Ingwall, Harvard USA) aufweisen, die allerdings nicht so gravierend sind, dass die Tiere nicht überleben könnten. Dies ist insofern erklärbar, weil sowohl in den Skelettmuskeln, wie auch im Herzmuskel dieser Tiere verschiedene metabolische und strukturelle Adaptationen stattgefunden haben und andere energetische “Sicherheitssysteme” aufreguliert worden sind. Auf diese Weise kann der Organismus offenbar den Ausfall des Kreatinkinase Systems mindestens teilweise kompensieren. Versuchstiere, die mit dem Kreatin-Analog, Guanidino-Propionsäure (GPA), gefüttert wurden, eine Behandlung, die den Kreatinspiegel im Muskel um 80% erniedrigt, zeigen deutliche Anzeichen von Hypertrophien des Herzens, sowie auch mitochondriale Myopathien in den Skelettmuskeln. Wenn GPA, welches die Aufnahme von Kreatin in die Zellen hemmt, zu Herzzellen in Kultur gegeben wird, zeigen sich nach einigen Tagen ebenfalls Anzeichen von mitochondrialen Myopathien mit stark vergrösserten, stabförmigen Mitochondrien (Eppenberger-Eberhardt et al. 1991), in denen die mitochondriale Kreatinkinase zu regelmässig angeordneten intramitochondrialen Einschlüssen auskristallisiert wird (O'Gorman et al. 1997a), ein für mitochondriale Krankheiten typisches Erscheinungsbild. Nach Zugabe von Kreatin zum Zellkulturmedium verschwinden diese Einschlüsse und die Grösse der Mitochondrien wird wieder normal. Ob diese Einschlüsse bei Patienten nach Kreatin-Einnahme auch verschwinden, konnte noch nicht gezeigt werden, allerdings stellte man bei solchen Patienten deutliche Verbesserungen in der Muskelkraft fest (Hagenfeld et al. 1994; Tarnopolsky et al. 1997).
Auf dem Gebiete der Kardiologie ist das Potential von Kreatin aber noch lange nicht ausgeschöpft und es können durchaus interessante, längerfristige Effekte, z.B. für die Prävention gewisser Erkrankungen des Herzens und deren Verlaufsmilderung erwartet werden.

Kreatin ist auch für die langsame, glatte Muskulatur wichtig

Das Kreatinkinase System ist auch für die zelluläre Energetik der relativ langsamen Kontraktion der glatten Muskulatur im Körper wichtig (Wallimann and Hemmer 1994). Das Enzym und die entsprechenden Substrate, Kreatin und Phospho-Kreatin, sind in der glatten Muskulatur der Blutgefässe (Clark et al. 1994), des Gastrointestinaltraktes (Ishida et al. 1995), sowie in der Gebärmutter (Clark et al. 1993) vorhanden, wo sie ebenfalls eine für die Funktion dieser Muskeln wichtige Rolle in der Energieversorgung ausüben (Takeuchi et al. 1995). Die Vermutung, dass sich eine Kreatin-Supplementation auch auf die glatte Muskulatur positiv auswirken könnte, wird dadurch erhärtet, dass verschiedene Patienten mit Muskelschwund als “Nebenefekte” einer Kreatin-Behandlung oft eine verbesserte Darmtätigkeit, bessere Blasenkontrolle und einen besseren Blutkreislauf festgestellt und zudem oft spürbar wärmere Extremitäten haben.

Kreatin hilft für Wachstum und Mineralisierung von Knochen und Knorpel

Neueste Befunde mit Zellkulturen von Knochenzellen (Osteoblasten) und embryonalen Knochen von Ratten zeigen, dass Kreatin auch auf Knochen und Knorpel eine positive Wirkung ausübt: Knochenzellen und ganze Knochen wachsen und mineralisieren deutlich besser. Das heisst, dass Kreatin bei der Heilung von Knochenbrüchen, beim Einwachsen von Knochenprothesen (künstliche Hüftgelenke) eine positive Wirkung haben und zudem den Verlauf von Osteoporose im Alter mildern könnte (I. Gerber, AO-Knochenforschungs-Institut, Davos, Dissertation (1998) und T. Wallimann, ETH-Zürich). Diese Befunde scheinen in Anbetracht der Tatsache, dass die Mineralisierung und Bildung von Knorpel und Knochen stark energieverbrauchende Prozesse sind, durchaus verständlich, weil das Kreatinkinase System auch in diesen Zellen vorkommt und somit deren zelluläre Energetik verbessern kann. Wird das Kreatinkinase System in Knorpel und Knochenzellen von Versuchstieren durch Fütterung mit Kreatinanaloga (z.B.Guanidino-Propionsäure) gehemmt, stellt man eine deutliche Missbildung der Knochen, besonders in der Wachstumszone fest (Funanage et al. 1992) was die physiologische Bedeutung von Kreatin für das normale Wachstum von Knorpel und Knochen unterstreicht. Die genaue Wirkung von Kreatin in diesen Bereichen am Menschen muss aber ebenfalls noch in klinischen Versuchen objektiviert werden. Diejenigen Personen, die Kreatin für Muskeln und Nervenstärke zu sich nehmen, werden jedoch eine zusätzlich positive Wirkung des Kreatins auf ihre Knochen sicher gerne in Kauf nehmen.

Schutzwirkung von Kreatin auf Gehirn und Nervenzellen, besonders bei neuro-degenerativen Krankheiten, positive Effekte von Kreatin in Zellkulturen, Tiermodellen und Patienten !

Das Enzym, Kreatinkinase (CK), sowie dessen Substrate, Kreatin (Cr) und Phospho-Kreatin (PCr), sind auch in Hirn- und Nervenzellen in relativ hohen Konzentrationen zu finden und besonders in denjenigen Zellen, die für die Koordination von Bewegungen (Purkinje-Zellen im Kleinhirn), sowie auch für Lernen und Gedächtnis (Pyramialzellen des Hippocampus) verantwortlich sind, angereichert (Kaldis et al. 1996). Dies lässt darauf schliessen, dass Kreatin für die Energetik dieser Hirnfunktionen eine wichtige Rolle spielt und dass Kreatin-Supplementation auch diese Leistungen des Gehirns verbessern kann.
Ein Kind, das infolge eines genetischen Defektes im Kreatin-Synthese-Weg (Guanidinoazetat-Amino-Transferase) kein detektierbares Phospho-Kreatin in seinem Gehirn aufwies, wurde mit schweren neurologischen Störungen ins Spital eingeliefert. Nach der Eruierung des dazumal noch unbekannten Defektes, was längere Zeit dauerte, konnten die Symptome durch regelmässige Kreatin-Supplementation wesentlich verbessert werden (Stöckler et al. 1996), was die unabdingbare Wichtigkeit dieser Substanz für die Hirnfunktionen direkt am Menschen belegt.
Neueste Befunde zeigen eine positive Wirkung von Kreatin auf Gehirn und Hirnleistung und deuten darauf hin, dass gewisse neuro-degenerative Veränderungen, wie Alzheimer'sche und Huntington'sche Krankheit und auch Multiple Sklerose oder Parkinson'sche Krankheit mit Kreatin gelindert werden können (Matthews et al. 1998). In einer Arbeit, die im März 1999 in “Nature Medicine” publiziert worden ist und die in der amerikanischen Presse für grosses Aufsehen gesorgt hat, konnte gezeigt werden, dass Kreatin im transgenen Tiermodell (SOD-Mutante) markant positive neuroprotektive Wirkung bei Amyotrophischer Lateral Sklerose (ALS) bewirkt (Klivenyi et al. 1999). Eine ähnlich frappante neuroprotektive Wirkung von Kreatin konnte von derselben Arbeitsgruppe in Boston auch an einem Tiermodell für die Parkinson'sche Krankheit demonstriert werden (Matthews et al. 1999).
Diese Resultate bestätigen nun definitiv, dass Kreatin eine deutliche Schutzfunktion für Hirn-und Nervenzellen hat, besonders vor Schäden, die entweder auf Grund von Sauerstoffmangel (Holtzman et al. 1997; Holtzman et al. 1998a,b), oder von Sauerstoffradikalen im Gehirn zustande kommen (Klinenyi et al. 1999). Als mögliche Mechanismen kommen die generelle Verbesserung des Energiestatus der mit Kreatin behandelten Zellen (Guerrero and Wallimann 1998) und/oder die Schutzwirkung von Kreatin direkt auf die Mitochondrien in Frage. Es konnte nämlich kürzlich gezeigt werden, dass Kreatin in verschiedenen Zellen eine deutliche Schutzwirkung vor dem programmierten Zelltod (Apoptose) haben kann (O'Gorman et al. 1997b; Brdiczka et al. 1998), der u.a. durch mitochondriale Ereignisse ausgelöst wird. Dabei spielt die oktamere Struktur der mitochondrialen Kreatinkinase eine ganz wesentliche Rolle (Brdiczka et al. 1998; Schlattner et al. 1999).
In der Tat konnte an neuronalen Zellkulturen gezeigt werden, dass Kreatin das Absterben von Neuronen verhindert, die entweder durch Glutamat überstimuliert wurden (over-excitotoxicity) oder mit dem Alzheimer Beta-Amyloid Protein versetz wurden (Brewer and Wallimann 2000). Somit dürfte der Kreatin-Supplementation für kontrollierte Studien an Patienten mit diversen neurodegenerativen Krankheiten, unter die auch die Alzheimer'sche Krankheit fällt, nichts mehr im Wege stehen (Bürklen et al. 2006).
In Tiermodellen für Hirn-Ischemie und Schlaganfall konnte eine deutlich neuroprotektive Wirkung von Kreatin gezeigt werden, und die sekundären Schäden um den effektiven Hirninfarkt herum (Penumbra) konnte deutlich verringert werden (Adcock et al. 2002; Prass et al. 2006)
In der Tat bewährt sich Creatine Administration zur Prävention von Komplikationen im Zusammenhang mit Schädel Hirn Trauma (Sakellaris et al. 2006). In einer Pilotstudie mit 39 Kindern und Jugendlichen mit traumatischen Hirnverletzungen im Alter von 11 - 18 Jahren wurde während 6 Monaten 0.4 Gramm Kreatin/kg Körpergewicht/Tag verabreicht und festgestellt, dass die Kreatin-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant bessere Rehabilitiation der kognitiven Fähigkeiten, der Persönlichkeits- und Verhaltensfaktoren, sowie der Mobilität und Selbständigkeit zeigten.

Kreatin: potentielle Möglichkeiten für die Bereiche Fruchtbarkeit, Gynäkologie und Neonatologie

Die Expression der beiden in der Gebärmutter und in der Placenta vorhandenen Kreatinkinase Isoformen, BB-CK und mitochondriale CK, wird während der Schwangerschaft genau reguliert (Thomure et al. 1996) und wird vor allem kurze Zeit vor der Geburt, in diesem Organ massiv erhöht (Payne et al. 1993; Wallimann and Hemmer 1994). Tatsächlich ist BB-CK in der Gebärmutter das durch Oestrogen am stärksten induzierte, prominente Protein (Reiss and Kaye 1981). Das deutet wiederum auf eine wichtige Funktion des Kreatinkinase Systems für die Muskelenergetik beim Geburtsvorgang hin. Es ist durchaus denkbar, dass durch Kreatin-Supplementation im letzten Trimester der Schwangerschaft die Erhaltung und das Wachstum des Fötus (siehe Kapitel unter Muskeln, Gehirn und Knochen), sowie der eigentliche Geburtsvorgang positiv beeinflusst werden könnten. Dies ist aber beim Menschen bisher noch nicht gezeigt worden. Zudem wäre ein möglicher Vorteil einer solchen Kreatin-Supplementation auch in der deutlichen Schutzwirkung für das Gehirn des Neugeborenen zu sehen, da Kreatin das Gehirn von neugeborenen Ratten vor einer Sauerstoffschuld, wie sie beim Geburtsvorgang durchaus vorkommen kann, weitgehend schützt (Holtzman et al. 1998a,b). Klinsche Arbeiten beim Menschen diesbezüglich sind im Gange. Die Tatsache, dass Kreatin sowie auch Phospho-Kreatin in relativ hohen Konzentrationen (ca. 1.5 mM, resp. 0.5 mM) im Kolostrum und der Muttermilch vorkommen, zeigt die Wichtigkeit und auch Unbedenklichkeit dieser körpereigenen Verbindungen für den Aufbau und die Funktion der Organe des Embryos und des Neugeborenen.

Was männliche Fruchtbarkeit anbelangt, ist festzuhalten, dass Kreatinkinase in den Spermien verschiedener Tierarten in relativ hohen Konzentrationen vorhanden und die Isoformen des Enzyms an spezifischen Orten im Spermium lokalisiert sind, wo chemische Energie umgesetzt wird (Wallimann et al. 1986; Kaldis et al. 1996). Phospho-Kreatin dient in den Spermien bei verschiedenen Tierarten als wichtige Energiequelle für die Fortbewegung der Spermien (Kaldis et al. 1997; vanDorsten et al. 1997) und beim Menschen hat man einen Zusammenhang von männlicher Unfruchtbarkeit mit dem Kreatinkinase System festgestellt (Huszar et al. 1992). Zudem kann bei in vitro Befruchtungen die Spermien-Beweglichkeit und Geschwindigkeit durch Zugabe von extra Phospho-Kreatin als Energiespender erhöht werden (Fakih et al. 1986). Beim Mann erscheinen hohe Konzentrationen von Kreatin und Phospho-Kreatin, die von der Samenblase sezerniert werden, in der Samenflüssigkeit (Wallimann and Hemmer 1994; Lee et al. 1998). Das Kreatinkinase System, und somit auch Kreatin und Phospho-Kreatin, sind für den Energietransport vom Mittelstück des Spermiums, wo die Mitochondrien als Energiezentralen lokalisiert sind, entlang des langen Spermienschwanzes wichtig. Ob allerdings durch orale Kreatin-Supplementation beim Menschen die Spermienproduktion, und Funktion, sowie womöglich auch die Fruchtbarkeit generell, direkt beeinflusst werden können, ist noch nicht abgeklärt worden.

Kreatin ist auch für die Immunabwehr wichtig

Die Fresszellen (Makrophagen), die für die Eliminierung von Bakterien und Viren im Körper von vitaler Bedeutung sind, enthalten das Kreatinkinase System und brauchen für die Phagozytose (Fressprozess) von solchen Eindringlingen Phospho-Kreatin als Energiequelle (Loike et al. 1979). Kreatin und Phospho-Kreatin scheinen bei systemischen Infektionen beim Menschen eine direkte Schutzwirkung als Energiepuffer zu spielen (Lara et al. 1998).

Kreatin in der Haut

Verschiedene Studien haben gezeigt, dass in der Haut signifikante Mengen von Kreatin Kinase vorhanden sind, und zwar vorallem  in den Keratinozyten der Haut, sowie den Haarwurzeln und dass ebenfalls der Kreatin Transporter an diesen Orten aktiv ist. (Studie von Schlattner et al.2002). Zudem konnte gezeigt werden, dass Kreatin die Haut vor den UV-Strahlen und vor Sauerstoffradikalen zu schützen vermag (Lenz et al. 2005). Zudem wurde festgestellt, dass Kreatin die Mitochondrien (Energie-Kraftwerke) in der Haut vor Schädigung durch Sauerstoffradikale schützen kann (Berneburg et al. 2004).
Dass das Kreatin Kinase System für die Hautzellen wichtig ist, zeigten Experimente bei denen das Enzym “ausgenockt” worden ist. Diese Hautzellen zeigen eine signifikant schlechtere Überlebensfähigkeit, besonders unter zellulären Stress-Situationen, und zudem konnten mittels Elektronenmikroskopie deutliche Veränderungen in der Morphologie ihrer Mitochondrien direkt abgebildet werden (Lenz et al. 2007).
Somit ist wissenschaftlich erwiesen, dass Kreatin für die normale Funktion von gesunder Haut wichtig ist (Zemtsov 2007).
Wir konnten auch zeigen, dass überraschend viel Kreatin Kinase Enzym, sowohl cytosolische BB-CK wie auch das mitochondriale Mi-CK Isoenzym, in der suprabasalen Schichten der Haut, u.a. auch in verschiedenen Zelltypen der Haarfollikel, exprimiert wird und dass unmittelbar nach einer Hautverletzung die Kreatin Kinase Aktivität in der Wunde ansteigt, was darauf hinweist, dass das Kreatin Kinase und Kreatin auch für die Wundheilung wichtig sind (Schlattner et al. 2002).
Diese und weitere wissenschaftliche Erkenntnisse haben dazu geführt, dass die Firma Beiersdorf verschiedene Haut-Lotionen mit Kreatin entwickelt hat, speziell zum Schutz und zur Pflege der Haut. Diese Produkte sind bereits auf dem Markt - entsprechende Pressemitteilungen:
www.presseportal.de/pm/8057/544564/beiersdorf_ag
http://wwwde.beiersdorf.com/Area-Press/Latest-News.aspx?l=1&id=1396,
sowie Produktinformationen:
http://products2.nivea.com/products.php?page_id=889&lan=ie,
http://www.yopi.de/rev/216234

Es ist anzunehmen, dass auch oral eingenommenes Kreatin über das Blut zur Haut transportiert wird und deshalb ähnlich positive Effekte auf die Haut hat, wie diejenige mit lokaler, topischer Applikation von Kreatin-Lotionen und Cremes und somit auch oral eingenommenes Kreatin einen Hautschutz und eine Verzögerung der Hautalterung bewirken kann.
Es ist auch durchaus sinnvoll beide Behandlungen - orale Kreatin-Supplementation (normale Dosierung) - mit der topischen Anwendung von Nivea-Creatin-Produkten zu kombinieren.

Phospho-Kreatin in der Haut

Referenzen:

Schlattner U, Möckli N, Speer O, Werner S, Wallimann T.
Creatine kinase and creatine transporter in normal, wounded, and diseased skin.
J Invest Dermatol. 2002 Mar;118(3):416-23

Lenz H, Schmidt M, Welge V, Schlattner U, Wallimann T, Elsässer HP, Wittern KP, Wenck H, Stäb F, Blatt T.
The creatine kinase system in human skin: protective effects of creatine against oxidative and UV damage in vitro and in vivo.
J Invest Dermatol. 2005 Feb;124(2):443-52

Lenz H, Schmidt M, Welge V, Kueper T, Schlattner U, Wallimann T, Elsässer HP, Wittern KP, Wenck H, Staeb F, Blatt T.
Inhibition of cytosolic and mitochondrial creatine kinase by siRNA in HaCaT- and HeLaS3-cells affects cell viability and mitochondrial morphology.
Mol Cell Biochem. 2007 Dec;306(1-2):153-62. Epub 2007 Jul 28.

Berneburg M, Gremmel T, Kürten V, Schroeder P, Hertel I, von Mikecz A, Wild S, Chen M, Declercq L, Matsui M, Ruzicka T, Krutmann J.
Creatine supplementation normalizes mutagenesis of mitochondrial DNA as well as functional consequences.
J Invest Dermatol. 2005 Aug;125(2):213-20.

Zemtsov A.
Skin phosphocreatine.
Skin Res Technol. 2007 May;13(2):115-8. Review


Kreatin und Kreatin-Analoge können das Wachstum von gewissen Krebszellen im Tiermodell hemmen

Desweiteren konnte mit Krebszellen in Kultur und an Tiermodellen in vivo gezeigt werden, dass Kreatin und Kreatin-Analoge das Wachstum gewisser Krebszellen signifikant hemmen können (Miller et al. 1993; Bergnes et al. 1996; Kristensen et al. 1999). Cyclo-Kreatin, eine synthetische Verbindung, hemmt das Wachstum dieser Krebszellen schon bei sehr niedrigen Konzentrationen und erhöht die Empfindlichkeit von Krebszellen für konventionelle Chemotherapeutika z.T. bis zu tausendfach (Teicher et al. 1995). Der genaue Mechanismus dieser anti-Krebswirkung von Kreatin und Analogen ist noch weitgehend ungeklärt und mögliche Anwendungen dieser Substanzen am Menschen stecken erst in der frühen Anfangsphase.